Kundenberichte

Templates bringen Struktur in den COVID-19-Befund

Dr. Till Schmidt-Thieme, Facharzt für Radiologie und Oberarzt der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart

Die strukturierte Befundung setzt auf klar definierte Werte statt Freitext, der erst vom behandelnden Arzt interpretiert werden muss. Mit dem Wechsel zum Sectra-PACS konnte die Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart zu Jahresbeginn gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Umstellung der Bilddaten-Archivierung und die Umstellung der Befundung, so dass sich nun beide Vorgänge ‚unter einem Dach‘ abspielen. Die Templates der strukturierten Befunde bedeuten zwar zu Beginn zusätzliche Arbeit, machen dies jedoch langfristig mehr als wett, berichtet Dr. Till Schmidt-Thieme, Facharzt für Radiologie und Oberarzt der Abteilung.

Die klinischen Kollegen sind über die UniView-Software an das System angebunden. So können sie sämtliche Bilder auf ihrem Tablet betrachten, um sich mit Kollegen zu beraten oder bevorstehende Eingriffe für Patienten zu veranschaulichen. „Das hat sich bei uns im klinischen Alltag schon gut etabliert“, berichtet der Radiologe. Der Einsatz der strukturierten Befundung ist hingegen noch nicht ganz so weit fortgeschritten. „In einigen Bereichen, etwa in der Nuklearmedizin, wird bereits viel mit Templates gearbeitet“, so Schmidt-Thieme. „An anderen Stellen werden diese Strukturen erst noch erarbeitet. Das betrifft unter anderem viele CT-Untersuchungen.“

Bruch mit alten Gewohnheiten

Trotz der offensichtlichen Vorteile nähern sich viele Radiologen der strukturierten Befundung eher zögernd. Dafür hat der Experte folgende Erklärung: „Viele Radiologen sind es gewohnt, sich erst einmal die Bilder anzusehen. Ab der ersten Durchsicht der Bilder entsteht via Spracherkennung vom Diktat oft bereits ein erster Entwurf des Befundes, ohne sich von den Bildern abwenden zu müssen. Mit der strukturierten Befundung muss man aber nach Durchsicht der Bilder die Aufmerksamkeit auf das Template richten und die richtigen Werte eintragen – das ist für viele Radiologen ungewohnt.“ Darüber hinaus reduzieren Templates die Komplexität der Eingaben zugunsten der besseren Vergleichbarkeit der Daten: „Alles, was nicht ins Raster passt, muss im Kommentarfeld ergänzt werden. Daher entstehen in der Praxis oft Hybrid-Befunde, die sowohl konkrete Werte als auch Freitext-Kommentare beinhalten. Es gibt viele Eventualitäten, die sich allein über den strukturierten Befund kaum abbilden lassen.“ So eignet sich die Arbeit mit Templates vor allem für Screenings, bei denen es viele unauffällige Befunde gibt. Für Patienten mit komplexen Krankheitsbildern wie einer Coronavirus-Infektion war diese Art der Befundung bislang nicht ausgerichtet, so Schmidt-Thieme.

Spezifische Templates für die Befundung von COVID-19 haben die Situation mittlerweile deutlich verbessert. „Schon im Frühstadium der aktuellen Pandemie wurde die Erkrankung und ihre Auswirkungen sehr detailliert beschrieben“, so der Radiologe. Viele krankheitsrelevante Parameter sind bekannt und lassen sich über ein Template gut abbilden. So enthält die Vorlage etwa einen Wert für die Schwere und Lokalisation einer Entzündung. Aus diesen Zahlenwerten wird eine grafische Präsentation der Lunge generiert, die auf den ersten Blick erkennen lässt, welche Bereiche am stärksten von der Infektion betroffen sind. „Da die COVID-Forschung laufend neue Erkenntnisse liefert, ergänzen wir die strukturierten Werte durch individuelle Ergänzungen im Kommentarfeld.“

Vorteil (auch) für die Forschung

Dieses Vorgehen bedeutet kurzfristig zusätzliche Arbeit für den Befunder; die dermaßen gewonnenen Daten sind für die Forschung jedoch von großem Wert, betont Schmidt-Thieme. „Beispielsweise kristallisiert sich allmählich heraus, welche Art der Lungenentzündung typisch für eine COVID-19-Erkrankung ist – und welche nicht. Das ist eine Information, die auch für den Kliniker relevant ist.“ In der Praxis spielen darüber hinaus Komplikationen eine Rolle, zum Beispiel eine bakterielle Superinfektion zusätzlich zur bestehenden COVID-19-Infektion.

Hier bietet das COVID-Template den behandelnden Ärzten einen Mehrwert, denn mit einem Klick lassen sich Nebenbefunde aufrufen, erläutert der Radiologe – unter anderem Pleuraergüsse, Veränderungen an den Lymphknoten oder eine Minderbelüftung der Lunge.

Der Umstieg auf die strukturierte Befundung bedeutet in vielen Fällen einen Abschied von der bisherigen Routine, „allerdings bringt das System viele Vorteile mit sich, so dass unterm Strich alle zufrieden sind“, zieht Schmidt-Thieme ein positives Fazit. „Vor allem in der Forschung bringt uns dieses Vorgehen voran, da die Vergleichbarkeit von Daten hier essenziell ist – das kann ein Befund im Freitext nicht leisten.“

 

Dr. Till Schmidt-Thieme ist Facharzt für Radiologie und Oberarzt der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Er ist Mitglied zahlreicher radiologischer Fachgesellschaften, darunter der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) und der European Society of Radiology (ESR).