Mit einer innovativen Ausschreibung hat das Klinikum Braunschweig auf sich aufmerksam gemacht und ein deutliches Signal in Richtung digitale Zukunft gesetzt. Gesucht wurde ein Partner, der alle bereits bestehenden PACS-Systeme in einem einzigen vereint. Das Besondere an der Ausschreibung war jedoch noch etwas anderes: Nicht nur die Mitarbeiter sollten auf alle Dokumente zugreifen können, sondern auch die Patienten. Die an der Ausschreibung beteiligten Firmen mussten sich somit Gedanken machen, wie das Krankenhaus der Zukunft mit seinen Patienten kommuniziert. Überzeugen konnte am Ende die Firma Sectra gemeinsam mit der Firma InterComponentWare AG (ICW).
Als Maximalversorger mit 1500 Betten und einer historisch gewachsenen IT-Struktur sah sich das Klinikum Braunschweig irgendwann mit sechs PACS-Systemen unterschiedlicher Hersteller konfrontiert. „Die Komplexität der IT-Infrastruktur musste dringend reduziert und der Prozess innerhalb der Klinik einfacher werden“, sagt Dr. Raimar Goldschmidt, Chief Digital Officer am Städtischen Klinikum Braunschweig und Geschäftsführer des Innovationszentrums skbs.digital. „Wir brauchten ein System, in dem jeder Berechtigte alle notwendigen Dokumente findet. Sozusagen eines für alles. Alle medizinischen Patientendaten sollten sich in einer Plattform wiederfinden, auf die die Anwender über die verschiedensten Systeme zugreifen können.“ Das VNA von Sectra war hier die Lösung, zumal Sectra bereits seit 2003 mit einem PACS in der Klinik vertreten ist und daher die Strukturen sehr gut kennt. Um die sechs PACS-Systeme in dem VNA zu konsolidieren, wurde aus dem bestehenden System heraus eine modulare Erweiterung geschaffen, statt die bisherige Struktur komplett zu ersetzen. Zur Unterstützung und insbesondere für die Umsetzung des Patientenzugriffs auf sensible Daten hat Sectra mit der Firma InterComponentWare AG (ICW) einen Experten der Informations- und Kommunikationstechnik mit ins Boot geholt.
Das Klinikum Braunschweig wird künftig alle medizinischen Daten über ein einziges zentrales, auf internationalen Standards basierendes Multimedia-Archiv aufrufen und bearbeiten. Aus praktisch jeder Quelle können medizinische Bilder, Videos, Audioclips sowie Dokumente aus dem bestehenden DMS in das VNA integriert werden, einschließlich aller Arten von DICOM-Bildern, EKG-, HD-Film- und Nicht-DICOM-Bildern. Die Speicherung der Daten folgt dem klinischen Pfad des Patienten, sodass die behandelnden Ärzte alle zu ihm gehörenden Informationen finden und bearbeiten können – von überall, zu jeder Zeit und auf jedem Gerät. Hierfür sorgt nicht zuletzt der herstellerunabhängige Viewer von Sectra (UniView), den das Klinikum zum VNA dazu gekauft hat.
Babybauch-App: digitaler Austausch mit werdenden Eltern
Eine zentrale Idee des Klinikums, auch Patienten den Zugriff auf ihre Dokumente zu gewähren, wird in einem ersten Schritt mit der innovativen App „Babybauch“ realisiert. Werdende Eltern in der Region Braunschweig erhalten via App Informationen rund um Schwangerschaft und Geburt angezeigt und können zukünftig bei Bedarf mit einem Klick Geburtsvorbereitungskurse buchen, Termine für eine Kreißsaalführung vereinbaren oder eine Hebamme finden.
Doch damit nicht genug: Patienten werden sogar ihre Daten aus dem Krankenhaus abfragen können. Von Laborwerten der letzten Untersuchung bis hin zu 3D-Bildern des Babys ist alles möglich. Das VNA gewährleistet absolute Sicherheit beim Datentransfer und beim Datenschutz. Weitere Apps, zum Beispiel auf Kardio– oder Diabetes-Patienten zugeschnitten, könnten bei guter Akzeptanz folgen.
Schulungen am Puls der Zeit
Überzeugen konnte Sectra auch mit seinen Schulungskonzepten zur Einführung des VNA. „E-Learning ist heute ein sehr wichtiges Thema“, so Goldschmidt. „Unsere Mitarbeiter müssen das Beste aus den Systemen herausholen können, dafür benötigen sie adäquate Schulungen.“ Schulungen zu einer festen Zeit an einem bestimmten Ort sind allerdings nicht mehr zeitgemäß und lassen sich nicht erst seit der Corona-Pandemie nur schwer in den stressigen Klinikalltag einbauen. Deshalb können die Sectra-Schulungen ortsunabhängig auf jedem beliebigen Endgerät online absolviert werden.
Die Einführung des VNA ist für Goldschmidt ein erster Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung des Klinikums Braunschweig, weitere sollen folgen. Mittelfristig möchte der Geschäftsführer die Pathologie digitalisieren. Mit einem entsprechendem Pathologieinformationssystem könnten die Bilder dann, so die Wunschvorstellung, im VNA aufgerufen und mit dem UniView von allen berechtigten Mitarbeitern betrachtet werden.
Dr. Raimar Goldschmidt ist seit 2017 Chief Digital Officer (CDO) am Städtischen Klinikum Braunschweig und Geschäftsführer (CEO) des Innovationszentrums skbs.digital. Er studierte in Ulm Informatik und in Heidelberg Medizin.