Kundenbericht

KI-Visionen für die Radiologie

Prof. Dr. Andreas Kopp, Chefarzt der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Krankenhaus Düren

Nachdem der Digitalisierungsprozess im Krankenhaus in den letzten Jahren ins Stocken geraten ist, wittert Professor Dr. med. Andreas F. Kopp Morgenluft. Als Chefarzt an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Krankenhaus Düren gem. GmbH sieht er Künstliche Intelligenz (KI) als große Chance, den Klinikalltag nachhaltig zu verbessern. Vielleicht kann der entscheidende Entwicklungsschub mit den Fördermitteln des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) gelingen. 

„KI fängt beim Workflow an“, so Kopp. Was ist die aktuelle Situation des Patienten, welche Untersuchung braucht er, welches System ist für die jeweilige Anforderung am besten geeignet? Das kleinere Gerät bei der Diagnose Nierensteine oder das Highend-System für eine Cardio-CT? Diese Entscheidungen kann KI treffen, vorausgesetzt, das Tool wird im Vorfeld mit den relevanten Informationen gefüttert. Ein Patientenportal – eine Ausschreibungsbedingung des KHZG, um einen Antrag auf Förderung stellen zu können – kann dies sicherstellen: Der Patient loggt sich ein, wird mithilfe eines Chatbot durch die Plattform geleitet und beantwortet erste Fragestellungen zur Anamnese und zur Einordung ins Gesamt-Setting. Nach der Untersuchung kann jeder Patient, als Herr seiner Daten, Befunde und Bilder, eigenständig entscheiden, wer Einsicht in welche Dokumente bekommt und in welche Richtungen der Datentransfer erfolgen soll. „Das ist eine ganz wichtige Funktion, denn es geht ja meistens um einen Vergleich zwischen dem Ergebnis in der Praxis und der Verlaufsuntersuchung im Krankenhaus. Und genau dafür ist KI gut,“ erläutert der Radiologe. Zurzeit erfolgt der Datenaustauch im Idealfall über Datenleitungen, aber oft auch immer noch über CDs, die eingelesen werden müssen. „Ein universelles Portal wäre schneller und effizienter.“ 

 Bilder – viele, gute, kompetent eingesetzt

KI funktioniert nur gut über Lernprozesse. Dafür werden nicht nur sehr viele, sondern vor allem auch qualitativ sehr hochwertige Bilder benötigt. Diese gibt es zwar, vor allem in größeren Institutionen, sie werden aber ungern kostenlos herausgegeben. Das ist nur zu verständlich, wenn mit den kostenlos zur Verfügung gestellten Bildern ein Diagnose-System, einmal zur vollen Reife gebracht, ein Milliardengeschäft entsteht, ohne dass die Datenspender davon profitieren. „Für eine gerechtere Handhabung gibt es zurzeit leider noch keine intelligenten Lösungen. Viele Krankenhäuser sind chronisch unterfinanziert, sie können es sich schlichtweg nicht leisten, ihre Daten, das große Pfand in ihrer Hand, zu verschenken“, stellt Kopp klar. Neben der Qualität der Bilder spielt auch das kompetente Handling eine Rolle. Soll ein KI-System einen Gallenblasentumor zweifelsfrei erkennen, muss es mit vielen tausend Untersuchungsbildern gesicherter Gallenblasentumoren in unterschiedlichen Variationen gefüttert werden. Nur diese dürfen es sein, andere Bilder, etwa einer Entzündung oder gar einer ganz anderen Erkrankung führen später zu Fehldiagnosen. Kopp: „Und auch das ist eine bisher ungeklärte Frage, wie diese intellektuelle Leistung, so ein System fit zu machen, eigentlich honoriert wird?“ Für ihn ein plausibler Grund, warum KI noch nicht so im Klinikalltag angekommen ist, wie das ursprünglich erwartet wurde.  

 Bildrekonstruktion

Apropos Bilder: Eine verbesserte CT-Bildqualität mit weniger Rauschen und geringerer Strahlendosis für den Patienten – das gelingt zum Beispiel mit der KI-Technik von Canon Medical. Dafür sorgt ein ausgefeilter Algorithmus, der sich durch Schnelligkeit und außerordentliche Detailgenauigkeit auszeichnet. „Wir arbeiten bereits seit mehreren Monaten mit diesem Tool und sind sehr zufrieden“, so Kopp. Aus seiner Sicht ist das die erste wichtige Anwendung von KI in der Radiologie, die über kurz oder lang flächendeckend zum Einsatz kommen wird. Ähnliches gilt auch für die MRT, auch hier spielt KI bei der Bildberechnung eine zunehmend wichtige Rolle.  

 Detektion und Quantifizierung – schneller und besser

Vor allem in der Onkologie müssen Befunde, sind sie einmal entdeckt, über einen langen Zeitraum kontrolliert und im Verlauf beobachtet werden. Wie entwickeln sich Herde oder Läsionen? Werden sie kleiner oder größer? Wann handelt es sich um Metastasen oder aber einen Zweittumor? Antworten liefert die Quantifizierung. Ein aufwändiges und ungenaues Verfahren, bei dem zum Beispiel 3 oder 4 Läsionen lediglich in zwei Ebenen am Bildschirm gemessen werden. Demgegenüber würde ein KI-System, das einen Lungenrundherd volumetrisch erfasst, also in 3D, eine enorme Qualitätssteigerung darstellen – mit therapeutischer Relevanz. Messung und Abgleich mit den Vorbefunden wären für die Diagnostik von 30, 40 Lungenrundherden dann statt in zwei Stunden in wenigen Sekunden erledigt. Eine große Arbeitserleichterung für Radiologen. Das sieht auch Sectra so und arbeitet derzeit an einer entsprechenden Software. „Auf ihren Einsatz sind wir sehr gespannt,“ so der Radiologe.  

 PACS als Dreh- und Angelpunkt

Für Kopp ist das PACS der entscheidende Katalysator für die Verwendung von KI-Tools. Dazu muss es aber in der Lage sein, die unterschiedlichste Software für diagnostische Fragestellungen auf einer Oberfläche zu integrieren. Ein großer Vorteil: Das System kann automatisch erkennen, um welche medizinische Fragestellung es geht und welche KI benötigt wird, um auf Basis definierter Parameter die Wahrscheinlichkeit für Diagnose A oder B zu errechnen. Im Moment sieht der aktuelle Status quo in den radiologischen Abteilungen so aus: Für jede Diagnose, ob Prostata, Mammakarzinom oder COVID, gibt es ein eigenes KI-Software-Paket, das zusätzlich geöffnet werden muss. Bilder müssen geschickt und ausgewertet, der Befund dann wieder zurückgesendet werden. Mit einer Bearbeitungszeit von 15 bis 30 Minuten ist das ein sehr langwieriger KI-Prozess, der die Radiologen für ihren Einsatz von KI eher bestraft als einen Benefit darstellt. „Die PACS-Oberfläche ist unsere zentrale Plattform, unser Hauptort für die Befundung. Die komplette Software-Integration an dieser Stelle ist der richtige Weg“, ist Kopp überzeugt. „Das gilt übrigens auch für den Bereich der KI-gestützten Segmentierung.“ Mithilfe von anatomischen Landmarken könnten Lebermetastasen dann in Sekundenschnelle genau lokalisiert und beschrieben werden – eine wichtige Orientierungshilfe für die Chirurgen.  

 „Da ist Musik drin“

Seit Beginn der Digitalisierung im Krankenhaus, kommunizieren PACS, RIS, KIS & Co. über standardisierte Schnittstellen. Das hat sich über die Jahre etabliert und funktioniert grundsätzlich gut. Die optimale Lösung für die Zukunft: Eine einzige Software für das gesamte Krankenhaus – vom Wareneingang, über das Medikamenten- und Patientenmanagement bis hin zur Abrechnung. „Das macht absolut Sinn, denn im Krankenhaus sind alle Prozesse um den Patienten geknüpft und hängen zusammen.“ Da das Krankenhaus und seine Einbettung in die Versorgungslandschaft aber ein historisch gewachsenes System ist, mit Dutzenden parallel arbeitender IT-Systeme, bleibt das zunächst Wunschdenken. „Das Thema KI ist virulent und wird landauf, landab heiß diskutiert. Mit dem KHZG kann uns ein ganz großer Sprung nach vorne gelingen,“ blickt der Radiologie dennoch optimistisch in die Zukunft.  

 

Prof. Dr. Andreas Kopp ist seit 2009 Chefarzt der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Krankenhaus Düren, dem größten akademischen Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen. Nach dem Medizinstudium in Tübingen und San Francisco promovierte er zum Thema „MnDPDP als hepatobiliäres Kontrastmittel für die MR-Tomographie der Leber“ mit anschließendem Forschungsaufenthalt 1994/95 an der NYU (New York University) in Manhattan. Nach seiner Rückkehr an die Universität Tübingen begann die Entwicklung der Multidetektor-Computertomographie in enger Zusammenarbeit mit Siemens Healthineers und den damals ersten klinischen Anwendungen dieser neuen Technologie bis hin zur CT-Angiographie der Herzkranzgefäße. Dieses Thema war auch Gegenstand seiner Habilitation 2004.  

Das besondere Interesse des Radiologen gilt neuen digitalen Technologien und wie sich KI in den gesamten Workflow einer klinischen Radiologie integrieren lässt, um die Ergebnisqualität zu optimieren.