Kundenbericht

Der Weg zur digitalen Pathologie: IT-gestützter Zugriff auf Bilder und Befundberichte im gesamten Unternehmen

Aus dem Englischen von Mary C. Tierney, MS

Der Weg von der Vision bis zum erreichten Ziel ist oft lang und beschwerlich, aber der Durchhaltewillen zahlt sich aus: So auch im Hospital for Special Surgery (HSS) in New York, das vor sieben Jahren die Vision hatte, die digitale Pathologie zusammen mit einer voll integrierten Radiologie in einem unternehmensweiten Bildverarbeitungssystem (Enterprise Imaging, EI) zu integrieren. Im Februar ging das System an den Start: Damit ist die Klinik, die seit 10 Jahren das landesweite Ranking für Orthopädie anführt, die erste Installation der Digital Pathology Solution von Sectra in den USA.

Unsere Systeme verstehen sich gut miteinander. Andere Kliniken, die unserem Beispiel folgen möchten, brauchen nur noch ihre eigenen Konfigurationen zu erarbeiten, ohne die ganze Entwicklungsarbeit leisten zu müssen.

Inderpal Kohli, Assistant VP, Clinical Applications & Training

Als mutiger Vorreiter startete das HSS in Partnerschaft mit dem Anbieter für digitale Pathologie und Enterprise Imaging Sectra und eGA-Anbieter Epic ein Pilotprojekt, in dessen Fußstapfen viele Gesundheitseinrichtungen des Landes folgen werden. HSS leistete mit der EI-Integration wichtige Entwicklungsarbeit, von der andere Gesundheitseinrichtungen profitieren können. Klinik-IT-Teams, die eine digitale Pathologielösung für Diagnostik, Befundung und zugehörige Bildaufnahmen aus der Radiologie, Pathologie und anderen Fachrichtungen mit umfangreichem Bildmaterial für ein und denselben Patienten in derselben Oberfläche nutzen möchten, haben mit der guten Vorarbeit des HSS ein solides Fundament, auf dem sie aufbauen können. 

Im Folgenden wird beschrieben, wie das HSS die Einrichtung seiner digitalen Pathologie vorangetrieben hat.  

Aus dem Wunsch wird Realität

Die Vision hatte damals Inderpal Kohli, Assistant VP, Clinical Applications & Training, der das IT-Projektteam der Klinik leitet. Dabei war ihm bewusst, dass die Realisierung die richtigen Bedingungen in Gesundheitseinrichtungen und umfassende klinische Erfahrung voraussetzt. Hier kommt Thomas Bauer, MD, PhD, ins Spiel, der 2017 als Chefpathologe zu HSS wechselte und langjährige Erfahrungen aus der Cleveland Clinic mitbrachte, wo er eine der ersten Orthopädie-Abteilungen mit digitaler Pathologie aufbaute. Renee Slaw, MBA, FACHE, Assistant Director, Pathology & Laboratory Medicine, die ihn während des Aufbaus der digitalen Pathologie-Abteilung unterstützt hatte, wechselte ebenfalls von der Cleveland Clinic zu HSS.  

„Die Nutzung der digitalen Pathologie für die Diagnostik muss von der Pathologie und IT gemeinsam angetrieben werden,“, so Kohli. „Aus IT-Sicht war es die enge Kooperation und Teamarbeit mit unseren Partneranbietern, die zur Realisierung einer digitalen Diagnostik führten. Eine gemeinsame Infrastruktur für die fachübergreifende Speicherung und Bereitstellung von Bildaufnahmen mittels Enterprise Imaging ist dabei von zentraler Bedeutung.“ 

Die elektronische Gesundheitsakte (eGA) sollte in jedem Fall die die Ausgangsbasis für den Zugang zu allen Patientendaten sein. Dem HSS-Team wurde allerdings auch schnell klar, dass die EI-Plattform ebenso als Datenquelle für Bilder und Befundberichte der Pathologie dienen musste, wie es in der Radiologie der Fall ist. Das machte zwei Verknüpfungen notwendig: Zum einen die Schnittstelle zur nahtlosen Integration von Bildmaterial in den vorhandenen Pathologie-Workflow innerhalb des Laborinformationssystem (Epic Beaker), zum anderen eine Lösung, mit der sämtliche Ärzte in der Klinik mit einer entsprechenden Erlaubnis Zugriff auf die Pathologieaufnahmen des Patienten in der eGA erhalten.  

Mehr als anderthalb Jahre arbeitete das IT-Team von HSS zusammen mit den Entwicklern von Sectra und Epic an der Bereitstellung von Schnittstellen zwischen dem Slide-Scanner (Leica/Aperio CS2), dem Beaker-LIS von Epic und dem EI-System von Sectra. Damit wurde die Enterprise Imaging Solution von Sectra, die bereits seit 2007 die radiologischen Bilder speichert, zur gemeinsamen Datenbank für Radiologie und Pathologie.  

Pathologen oder Pathologieassistenten können dank der neuen Plattform einen Mikroskopschnitt scannen und direkt in das EI-System hochladen. Dabei ist die Qualität des Gewebescans ausschlaggebend, ebenso wie die Tatsache, dass das gesamte Gewebe auf dem Objektträger beim Scannen erfasst werden muss.

Mit einem einzigen System, gemeinsamen Tools und einer einheitlichen Benutzeroberfläche haben Ärzte besseren Zugriff auf Daten und können auf dieser Grundlage bessere Entscheidungen für die Patienten treffen. Dadurch verbessert sich die Versorgung, die HSS bieten kann, und auch unsere Strategien und Dienstleistungen für ein digitales Gesundheitswesen. [...] Wir beginnen gerade erst wirklich zu verstehen, wie sich mit dem neuen System unsere Versorgungsleistungen verändern und verbessern lassen.

Inderpal Kohli, Assistant VP, Clinical Applications & Training

Ist der Scan im EI-System gespeichert, können orthopädische Chirurgen, Radiologen, Rheumatologen, Infektiologen und Fachärzte sonstiger Fachrichtungen mit Zugriffserlaubnis den gesamten digitalen Schnitt untersuchen und gleichzeitig die radiologischen Aufnahmen hinzuziehen. Durch die digitale Speicherung an einem Ort können verschiedene Ärzte standortunabhängig Fälle miteinander erörtern. Zudem können sofort die Bilder aus Voruntersuchungen des Patienten aufgerufen werden, ohne dass die Schnitte erst aus einem Langzeitspeicher herausgesucht werden müssen. Das beschleunigt den diagnostischen Workflow enorm. „Bei Patienten mit mehreren Operationen oder verschiedenen Erkrankungen können die behandelnden Ärzte anhand der Bilder zudem den Therapieverlauf im Auge behalten,“, ergänzt Kohli.  

Das Hospital for Special Surgery hat nicht nur sein Ziel erreicht, eine unternehmensweite IT für Radiologie und Pathologie zu implementieren, es hat vor allem einen Weg geebnet, dem andere Kliniken und Krankenhäuser jetzt bei der Integration folgen können. „Gesundheitseinrichtungen in den USA, die dieselbe eGA verwenden, können unsere Arbeit für sich nutzen“, erklärt er. „Unsere Systeme verstehen sich gut miteinander. Andere Kliniken, die unserem Beispiel folgen möchten, brauchen nur noch ihre eigenen Konfigurationen zu erarbeiten, ohne die ganze Entwicklungsarbeit leisten zu müssen.“ 

 Der Fahrplan des HSS-Teams

Wie viele Gesundheitseinrichtungen fing auch das klinische Team von HSS mit dem Einsatz der digitalen Pathologie in der Forschung an. Das war 2017, kurz nachdem Bauer und Slaw zu HSS gewechselt waren. Das Krankenhaus übernahm einen Slide-Scanner von der Cleveland Clinic, mit dem sich beide sehr gut auskannten. Das war der Startschuss für das Projekt. Bevor allerdings die Pathologen vom analogen auf digitales Arbeiten umsteigen konnten, mussten zunächst einige Herausforderungen gemeistert werden, beispielsweise den Scanner und die Bildmanagementsysteme miteinander zu verbinden.  

Diese Schnittstellen stellten für Sectra kein Problem dar, da das Unternehmen bereits langjähriger Radiologie-PACS-Anbieter von HSS war und darüber hinaus viele digitale Pathologieinstallationen in Europa und Kanada implementiert hat. „Sectra konnte zeigen, dass ihre Software mit unserem Leica-Scanner funktioniert und vor allem bestätigen, dass sie mit uns an der Integration in die eGA von Epic arbeiten würde“, erinnert sich Kohli. „Die FDA-Zulassung in den USA lag noch in weiter Ferne, wir aber wollten dieses Pilotprojekt durchführen.“ 

Das war 2018. HSS, Sectra und Epic begannen zügig mit der Arbeit an den Schnittstellen, damit das Krankenhaus baldmöglichst zentralisiert auf einer Plattform für Radiologen, Pathologen, Orthopäden, Chirurgen und Rheumatologen alle Arten von Bildern in einer Patientenakte zur Verfügung stellen konnte.

Die Nutzung der digitalen Pathologie für die Diagnostik muss von der Pathologie und IT gemeinsam angetrieben werden.

Inderpal Kohli, Assistant VP, Clinical Applications & Training

„Dieser zentrale Zugang war ein wichtiges Ziel, damit Ärzte ihre Arbeitsabläufe nicht durch den Wechsel zwischen verschiedenen Systemen unterbrechen müssen“, erläutert Robyn Townsend, Assistant Director, Clinical Applications, die für IT-Anwendungen in Laboren, Apotheken und beim Infektionsschutz verantwortlich ist. 

Es mussten zwei Hyperlinks programmiert werden. Einer für die automatische Benachrichtigung des Pathologen via Mikroskop-Icon, dass Bilder für die Diagnostik im PACS zur Verfügung stehen, und ein weiterer, um allen HSS-Ärzten den Zugang zu allen Bildern in einer elektronischen Patientenakte zu gestatten. 

Townsend fungierte als Projektleiterin und Ansprechpartnerin für alle Anbieter. Im Team arbeiteten zudem der im Umgang mit der Laufzeitumgebung von Epic erfahrene Senior System Analyst Gordon Koch sowie Senior Analyst Corina Gallego, Spezialistin für das Epic Beaker System für anatomische Pathologie. In ihrer Zeit an der Cleveland Clinic konnte auch Slaw viel Erfahrung mit Pathologie- und Labor-Workflows sammeln.  

„Im Dezember 2018 sind wir gestartet, mit viel Unterstützung von Epic“, merkt Gallego an. „Wir haben Hand in Hand gearbeitet, um das zu schaffen. Es war vor allem viel Arbeit an Dateien, Tabellen und Schnittstellen, um alles zusammenzubringen.“ 

Das HSS-Team leitete das Pilotprojekt in enger Abstimmung mit einem Projektteam von Sectra, bei Bedarf wurde Kontakt zu Epic aufgenommen. Gallego arbeitete mit dem auf Beaker spezialisierten Ansprechpartner beim technischen Support zusammen und Koch mit seinem Kontakt für die Schnittstellen.  

Währenddessen kümmerte sich Sectra um den Speicher. Das Team konfigurierte auch die Zugriffs- und Bearbeitungsrechte im System, erklärt Slaw. „Mit Corinas Hilfe haben wir die histologischen Abläufe in der Forschung etabliert und Testschnitte angefertigt, um sicherzugehen, dass der Scanner und die gespeicherten Bilder im PACS kompatibel sind.“ 

Chirurgen können ihren Patienten oder deren Angehörigen jetzt die digitalen Pathologiebilder zeigen, um ihnen die Krankheit zu erläutern. Das hat es bisher nicht gegeben. Damit lassen sich Patienten und Angehörige besser einbinden.

Inderpal Kohli, Assistant VP, Clinical Applications & Training

Auf der klinischen Seite begann Bauer Schnitte zu scannen und Bilder interessanter digitaler Pathologiefälle an eine Reihe von Ärzten weiterzuleiten. Er wertete auch gescannte Bilder für die Diagnose aus. Zudem tauschte er sich remote mit orthopädischen Chirurgen und Radiologen aus, ohne im selben Raum an gegenüberliegenden Seiten eines Doppelmikroskops stehen zu müssen. 

Obwohl die Pandemie mitten in diesen Prozess fiel, gingen die Durchbrüche weiter: Anfang April kam die FDA-Freigabe der Digital Pathology Solution von Sectra und HSS beschleunigte den Kauf des von der FDA freigegebenen Leica-Scanners mit höherer Kapazität (Aperio AT2 DX), um die Versorgung in der Remote-Umgebung zu verbessern. Eine FDA-Notfallgenehmigung (EUA) erlaubte dem Pathologieteam von HSS außerdem den Remote-Zugriff auf Bilder vom AT2-DX-Scanner. Im Oktober 2019 stand der Scanner der nächsten Generation bereit – und im Februar 2020 konnte das HSS mit der integrierten Diagnostik beginnen. „Wir haben es geschafft, trotz allem genau in unserem Zeitplan zu bleiben“, so Kohli. 

Von diesem Erfolg profitieren auch die Ärzte und Pflegefachkräfte, die jetzt ein neues Tool für die bessere Patientenversorgung haben: „Wir haben enorm positives Feedback von den Ärzten erhalten“, erklärt Kohli. „Chirurgen können ihren Patienten oder deren Angehörigen jetzt die digitalen Pathologiebilder zeigen, um ihnen die Krankheit zu erläutern. Das hat es bisher nicht gegeben. Damit lassen sich Patienten und Angehörige besser einbinden.“  

Und die Liste der Erfolge ist noch länger: Die Effizienz ist gestiegen, denn Pathologen können jetzt im Homeoffice arbeiten und brauchen keine Kurierdienste mehr, die ihnen Objektträger bringen. Auch die Reichweite einzelner Pathologen hat zugenommen, sie können jetzt mehrere Krankenhäuser oder größere geografische Gebiete abdecken. Zudem vereinfacht das System Telekonferenzen, Konsultationen und die Interaktionen zwischen Ärzten innerhalb von HSS. „Auch die diagnostische Präzision verbessert sich laut den Ärzten“, fügt er hinzu. „Man muss sich das vorstellen. Selbst wenn sich nur ein Befund bei einem Patienten ändert, wird dessen Versorgung dadurch erheblich verbessert. Das ist die ganze Anstrengung wert.“ 

Das HSS hat damit die Chance, sein Einzugsgebiet für Überweisungen auf das ganze Land und irgendwann sogar auf die ganze Welt auszudehnen. Solche Ideen sind zwar noch Zukunftsmusik, die Kapazitäten und Expertise für derartige Pläne aber haben sie schon jetzt.  

„Mit einem einzigen System, gemeinsamen Tools und einer einheitlichen Benutzeroberfläche haben Ärzte besseren Zugriff auf Daten und können auf dieser Grundlage bessere Entscheidungen für die Patienten treffen,“, so Kohli. „Dadurch verbessert sich die Versorgung, die HSS bieten kann, und auch unsere Strategien und Dienstleistungen für ein digitales Gesundheitswesen. Wo besteht noch unerfüllter Bedarf? Wir können zum Beispiel bei Patientengesprächen, Schulung und Behandlung helfen.  Wir beginnen gerade erst wirklich zu verstehen, wie sich mit dem neuen System unsere Versorgungsleistungen verändern und verbessern lassen.“